Dynamische Routing-Protokolle: Ein Überblick
Dynamische Routing-Protokolle ermöglichen Routern den automatischen Austausch und die Aktualisierung von Netzwerkinformationen, insbesondere zu erreichbaren Zielen und möglichen Pfaden. Jeder Router führt eine Routing-Tabelle (Routing Information Base, RIB), in der die besten Pfade zu allen bekannten Netzwerken eingetragen sind.
Wichtige Konzepte
- Autonome Anpassung: Bei Änderungen der Netzwerk-Topologie, wie dem Hinzufügen neuer Routen oder dem Ausfall von Links oder Routern, passen sich die Routing-Protokolle automatisch an.
- Konvergenz: Zustand, in dem alle Router im Netzwerk ein konsistentes und übereinstimmendes Bild der Topologie haben.
- Topologie- und Metrikberechnung:
- Distanzvektor-Verfahren: Router leiten Informationen über Erreichbarkeit und Metriken an ihre Nachbarn weiter. Dabei erhöht jede Weiterleitung die Distanz um einen bestimmten Wert, z. B. die Anzahl der Hops.
- Link-State-Verfahren: Jeder Router erstellt eine vollständige Karte der Netzwerk-Topologie und berechnet mithilfe von Algorithmen wie Dijkstra die besten Pfade.
- Hybridverfahren: Kombinationen aus Distanzvektor- und Link-State-Methoden.
- Autonome Systeme (AS): Netzwerkeinheiten mit gemeinsamer Verwaltung.
- Interior Gateway Protocols (IGP): Routing-Protokolle, die innerhalb eines AS verwendet werden.
- Exterior Gateway Protocols (EGP): Routing-Protokolle zum Austausch von Routen zwischen autonomen Systemen.
Kategorien der dynamischen Routing-Protokolle
1. Interior Gateway Protocols (IGP)
IGPs werden innerhalb eines einzelnen autonomen Systems (AS) verwendet, um Routing-Informationen zwischen den Routern innerhalb des AS auszutauschen. Sie sind darauf ausgelegt, effizient und schnell auf Änderungen innerhalb des AS zu reagieren.
1.1 Routing Information Protocol (RIP)
Funktionsweise
- Art: Distanzvektor-Protokoll.
- Metrik: Anzahl der Hops zum Ziel.
- Nachrichten: Periodischer Versand der gesamten Routing-Tabelle an alle Nachbarn über UDP-Port 520.
- Aktualisierung: Übernahme oder Aktualisierung von Einträgen mit höheren Hopcounts oder unbekannten Zielen nach Empfang neuer Tabellen.
Vorteile
- Einfache Konfiguration: Leicht einzurichten und zu verstehen.
- Geringe Ressourcenanforderungen: Minimaler CPU- und Speicherbedarf.
Nachteile
- Begrenzte Skalierbarkeit: Maximal 15 Hops möglich; darüber hinaus gilt das Netzwerk als unerreichbar.
- Langsame Konvergenz: Verzögerte Anpassung bei größeren Änderungen aufgrund periodischer Updates.
- Einfache Metrik: Berücksichtigt weder Bandbreite noch Verzögerungen oder Link-Auslastung.
1.2 Enhanced Interior Gateway Routing Protocol (EIGRP)
Funktionsweise
- Art: Hybrid-Protokoll (Cisco-proprietär), kombiniert Distanzvektor- und Link-State-Ansätze.
- Metrik: Basierend auf Bandbreite, Verzögerung und optional weiteren Faktoren wie Last und Zuverlässigkeit.
- DUAL-Algorithmus: Nutzt den Diffusing Update Algorithm für schnelle Konvergenz und alternative Pfadfindung.
- Nachbarschaftsbildung: Austausch von Updates nur bei Änderungen; regelmäßiger Versand von Hello-Paketen zur Nachbarerkennung.
Vorteile
- Schnelle Konvergenz: Effiziente Anpassung dank DUAL.
- Effiziente Bandbreitennutzung: Updates erfolgen ereignisbasiert statt periodisch.
- Erweiterte Metrik: Berücksichtigt mehrere Faktoren für optimierte Pfade.
Nachteile
- Cisco-proprietär: Standardmäßig nur auf Cisco-Geräten verfügbar.
- Komplexität: Anspruchsvollere Konfiguration und Fehlersuche im Vergleich zu RIP.
- Ressourcenbedarf: Höherer Speicher- und CPU-Bedarf als bei einfachen Protokollen.
1.3 Open Shortest Path First (OSPF)
Funktionsweise
- Art: Link-State-Protokoll.
- Bereiche (Areas): Hierarchische Unterteilung des Netzwerks zur Verbesserung der Skalierbarkeit.
- LSAs (Link-State Advertisements): Verteilung von Informationen über direkte Links an alle Router innerhalb derselben Area.
- Pfadberechnung: Einsatz des Dijkstra-Algorithmus zur Ermittlung der kürzesten Pfade.
Vorteile
- Schnelle Konvergenz: Zügige Verbreitung von Link-State-Updates bei Veränderungen.
- Hohe Skalierbarkeit: Effektives Handling großer Netzwerke durch Areas.
- Exakte Pfadberechnung: Optimierte Routen basierend auf detaillierten Metriken wie Bandbreite und Verzögerung.
Nachteile
- Komplexere Konfiguration: Umfangreiche Einrichtung und Wartung erforderlich.
- Höhere Ressourcenanforderungen: Vollständige Topologie-Speicherung innerhalb einer Area erfordert mehr Speicher und CPU.
- Empfindlichkeit bei Fehlkonfiguration: Falsche Area-Typen oder IDs können zu Netzwerkproblemen führen.
2. Exterior Gateway Protocols (EGP)
EGPs werden verwendet, um Routing-Informationen zwischen verschiedenen autonomen Systemen auszutauschen. Sie sind essenziell für das globale Routing, insbesondere im Internet.
2.1 Border Gateway Protocol (BGP)
Funktionsweise
- Art: Exterior Gateway Protocol basierend auf dem Pfadvektor-Verfahren.
- Anwendungsfall: Austausch von Routing-Informationen zwischen autonomen Systemen im Internet.
- Metrik: Verwendung eines komplexen Regelwerks mit Attributen wie AS-Path, Local Preference, MED und Community.
- Policy-basiertes Routing: Ermöglicht Traffic-Engineering durch gezielte Manipulation von BGP-Attributen.
Vorteile
- Extrem skalierbar: Fundamentales Protokoll für das Routing im gesamten Internet.
- Hohe Flexibilität: Feinsteuerung des Routing-Verhaltens durch vielfältige Attribute.
- Stabilität: Mechanismen wie Route-Flap-Damping minimieren instabile Routen.
Nachteile
- Sehr komplex: Anspruchsvolle Konfiguration und Fehlersuche; Fehler können großflächige Auswirkungen haben.
- Langsame Konvergenz: Verzögerungen bei großen Änderungen der globalen Internet-Topologie.
- Hoher Ressourcenbedarf: Verwaltung umfangreicher Routingtabellen mit Hunderttausenden von IPv4/IPv6-Präfixen.
Vergleich der Protokolle
| Protokoll | Kategorie | Einsatzbereich | Vorteile | Nachteile |
|---|---|---|---|---|
| RIP | IGP | Kleine Netzwerke / LANs | Einfach, ressourcenschonend | Schlechte Skalierung, langsame Konvergenz |
| EIGRP | IGP | Mittlere bis große Cisco-Umgebungen | Schnelle Konvergenz, intelligente Metrik | Proprietär, komplexer, höherer Ressourcenbedarf |
| OSPF | IGP | Große Unternehmensnetzwerke | Hohe Skalierbarkeit, schnelle Konvergenz | Komplexe Konfiguration, höhere Ressourcenanforderungen |
| BGP | EGP | Inter-AS-Routing im Internet | Extrem skalierbar, flexibel | Sehr komplex, potenziell langsame Konvergenz |
administrative Distanz (AD)
Jeder Router kann für ein Zielpräfix nur eine Route in die Routing-Tabelle eintragen. Wenn mehrere Protokolle dasselbe Präfix melden, entscheidet die administrative Distanz (AD), welches Protokoll bevorzugt wird. Sie misst die Vertrauenswürdigkeit eines Protokolls und hat Standardwerte, die vom Administrator angepasst werden können.
Standardwerte der AD:
- Direkt verbunden: 0
- Statische Route: 1
- BGP: 20
- EIGRP: 90
- OSPF: 110
- RIP: 120
- Unbekannt: 255 (nicht verwendet)
Beispiel: Eine statische Route (AD 1) wird OSPF (AD 110) vorgezogen. Eine Route mit hoher AD kann als Backup fungieren, falls eine Primärroute ausfällt.
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